Nervensache: das Zeitprotokoll

Eine allseits gepriesene Methode, um herauszufinden, wie lange welche Tätigkeit wirklich dauert, ist das Zeitprotokoll: Einfach eine Zeitlang von morgens bis abends mitschreiben, was man tut, und von wann bis wann. Anschließend klappt es mit der Zeitplanung wie von selbst… Nein, natürlich nicht. Das Problem beim Zeitprotokoll ist der menschliche Faktor. Wie gehen wir mit unseren Schwankungen um?

An manchen Tagen flutscht es: Alles, was auf der To-Do-Liste steht, wird abgearbeitet, 30 Minuten vor dem geplanten Feierabend ist die Arbeit erledigt. Super! Aber dann gibt es diese anderen Tage, jene, an denen gar nichts flutscht, sondern die Gedanken ständig abschweifen, an denen jeder unterbrechende Anrufer mit frenetischem Jubel begrüßt wird, Stapel von einer auf die andere Seite sortiert werden – wenn man es überhaupt bis zum Arbeitsplatz geschafft hat und sich nicht prokrastinierend im Haus oder in der Stadt herumtreibt.

Soll das alles auch ins Zeitprotokoll?

Soll man das dann bei der nächsten Kalkulation mit aufnehmen?

Die Antwort ist: eigentlich ja. Die Zeitplanung sollte immer auf einem Mittelwert zwischen sehr leistungsfähigen und schwächeren Tagen basieren. Ok, wenn man die Griffel komplett fallen lässt und sich einen netten Tag macht anstatt zu arbeiten, dann schließt auch das Zeitprotokoll. Aber wenn eine Tätigkeit mal länger dauert, muss das notiert werden. Niemand kann von sich oder anderen erwarten, dass sie immer auf Hochtouren fahren. Schließlich kalkulieren Unternehmen auch Urlaubstage und Krankheitsausfälle ein. Insofern ist es übrigens sinnvoll, seine Zeiten über einen längeren Zeitraum  oder stichprobenähnlich über das Jahr verteilt zu notieren.

Hier kommen allerdings die Nerven ins Spiel. Denn gibt es etwas deprimierenderes, als dreimal so lange für eine Arbeit zu brauchen, wie man es eigentlich für nötig gehalten hätte, und ist es nicht grausam, das auch noch aufzuschreiben? So ein Zeitprotokoll kann selbstquälerische Züge annehmen, wenn es während einer Durchhängers stattfindet. Andererseits besteht jedoch die Chance, dass das Aufschreiben der Trödelei zum Abschaffen derselben anspornt. So gesehen lautet die heutige Schlussfolgerung: Einen Versuch ist es wert!

Autorin: Gudrun Sonnenberg | Themen: Arbeiten,Selbstmanagement | 3 Kommentare

3 Kommentare bisher

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  1. 18. März 2011 um 09:51 Uhr

    Gitte Härter sagt,

    Hallo Frau Sonnenberg,

    ich habe vor einem Jahr oder so mal die “Work-Life-Balance-Challenge” bei uns im Blog gemacht – angefangen habe ich das aus Eigennutz, weil ich mit Pausen nicht so gut bin.

    Dabei habe ich auch eine Woche mal so ein Zeitprotokoll gemacht, aber eben nicht einfach aufgeschrieben “von bis was”, sondern ich habe mir ein Wochendiagramm im Halbstundentakt ausgedruckt (wie ein Stundenplan, gibts auch bei uns auf der Website noch im Archiv) und dann jeweils mit farbigem Marker laufend angestrichen

    – welche halbe Stunde ich wirklich konzentriert und effektiv gearbeitet habe

    – wenn ich zwar gearbeitet, aber rumgetrödelt oder mich dauernd selbst unterbroche habe mit Mails, Internetsurfen etc. habe ich das in der gleichen Farbe aber schraffiert gemacht

    – gleiches mit Pausen: waren es echte Pausen oder nicht wirklich richtige Pausen (wiederum schraffiert)

    Ich fand das eine für mich sehr viel aussagekräftigere Variante, als nur Zeiten oder Aufgaben zu notieren. Denn auf diese Weise habe ich bildlich vor Augen gehabt, wie meine Arbeitszeiten generell aussehen, wie es um meine ArbeitsQUALITÄT bestimt war in dieser Woche und wie es um meine Pausen-/FreizeitQUALITÄT bestimmt war. Du liebe Zeit, war das augenöffnend!

  2. 18. März 2011 um 12:36 Uhr

    Silke sagt,

    Hallo Frau Härter,

    Zeitprotokoll visuell darstellen – das führt auf einen Blick alles Aussage kräftige auf (und vor)!

    Vor allem Surfen im Internet nimmt teilweise derart viel Raum ein. Selbst wenn eigentlich eine konkrete Such- und Fragestellung dazu führte, kann es durch andere Klickereien ausufern…
    Pausen, noch so ein Thema:-).

    Viele Grüße,
    Silke

  3. 22. März 2011 um 15:08 Uhr

    Ivan Blatter sagt,

    Ein grosser Gewinn des Zeittagebuchs ist für mich, dass ich automatisch produktiver arbeite. Ich will mich ja nicht blamieren (auch nicht vor mir selbst). :-)

    Überhaupt habe ich selten so viel über meine Art zu arbeiten gelernt wie mit dem Zeittagebuch, und ich empfehle es regelmässig meinen Kunden.

    Die Idee von Gitte Härter ist auch sehr schön und zeigt einmal mehr: Zaubermittel und Patentrezepte gibt es im Zeitmanagement noch weniger also sonst wo.
    Jede/r muss bereit sein zu experimentieren, was funktioniert und was eben nicht. Als Zeitmanagement-Trainer empfehle ich deshalb Kundin A unter Umständen etwas anderes als Kunde B.

    Die Prinzipien und Grundsätze gelten zwar, aber besonders bei der Ausführung kommt es immer auf die persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten an.

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