Aufschieberitis andersrum

Normalerweise geht Aufschieben so: Ich hätte was zu arbeiten und pflege statt dessen private Kontakte, shoppe, jage Staubmoleküle oder konsumiere Medien minderer Qualität. Die Arbeit bleibt liegen, bis es richtig eng wird, und dann bricht der große Stress aus, mit den üblichen unerfreulichen Begleiterscheinungen von Selbsthass über Schlafmangel bis zur Fressattacke.

Aber hey: Aufschieben klappt auch andersrum! Man nehme ein möglichst anstrengendes privates, kein Geld einbringendes Projekt, das viel Arbeit macht und die eigenen Schwächen zutage fördert. Was für ein Projekt sich eignet, ist eine Persönlichkeitsfrage. Aktuell hätte ich den Vorschlag, einen neuen Kleiderschrank zu kaufen, dessen Aufbau mit einer größeren Auf- und Umräumaktion (inclusive Anprobieren deprimierend entwachsener Kleidung) verbunden ist. Oder den Keller ausmisten und aufräumen. Für mich würden sich zudem sämtliche Renovierungsarbeiten eignen. Für andere Menschen bieten sich Projekte wie „ab morgen treibe ich regelmäßig Sport“ an, oder der Vorsatz, zu Aufheiterungszwecken die Kommunikation mit übellaunigen Verwandten zu intensivieren.

Was auch immer es ist: Plötzlich macht die Arbeit am Schreibtisch irre viel Spaß! Auch Sonntags! Akquisemails schreiben – wie konnte das zur Last werden? Buchhaltung – welch Vergnügen, die Ausgabenbelege zu sortieren! Und die Updates an der Website sind gar nicht so mühsam wie gedacht. Im Gegenteil, sie gehen sogar schnell. Schneller als gedacht. Zu schnell eigentlich… denn im Flur harrt unverdrossen der Schrank der Dinge, die nicht passieren. Oder die Laufschuhe. Oder der Vorsatz, den griesgrämigen Onkel anzurufen. Aber tja, die Post von letzter Woche ist noch nicht bearbeitet, und der E-Mail-Ordner kann auch noch aufgeräumt werden…

Lange nicht mehr so viel geschafft!

Autorin: Gudrun Sonnenberg | Themen: Alltag,Selbstmanagement