Eigene Projekte nach vorn

Mal ist es eine Doktorarbeit, mal ein Roman, mal eine Weiterbildung: Viele Leute haben eigene Projekte und Ideen, für die sie weder Geld bekommen, noch Auftraggeber haben, an denen aber das Herz und die persönliche  und berufliche Entwicklung hängen. Leider ist es ziemlich schwierig, ein eigenes Projekt voranzutreiben, wenn die Arbeitszeit dem Broterwerb gewidmet ist. Dann muss man Freizeit opfern – nur: welche?

Rein von der Zeit her wären Abende oder Wochenenden am besten, denn da muss man nicht an anstehende Erledigungen denken, und man kann so lange arbeiten, wie man will. Allerdings hat diese Zeiteinteilung Haken: Sie kollidiert mit dem Erholungsbedürfnis, man ist abends oft erledigt, wenn der Job anstrengend war, und Arbeiten am Wochenende kann Verbitterung beim Anhang hervorrufen.

Deshalb neige ich in letzter Zeit dazu, meine eigenen Projekte morgens vor die Broterwerbjobs zu platzieren. Zumindest bin ich dann noch nicht so müde wie abends, und keiner meckert, weil ich die freizeitliche Gemeinsamkeit beschneide. Geadelt wird diese Variante übrigens von Heinrich Zille, dem Berliner Zeichner, der sein Brot jahrzehntelang als Auftragszeichner und -grafiker verdiente: “…wenn ich morgens so’n bißchen nach der Natur gezeichnet hatte, dann hatte ich Ruhe für die Brotarbeit. Ich mußte erst ein Bild für mich gemacht haben, ehe ich an die Arbeit ging”, las ich kürzlich in “Das Zille Buch” (1929). Das eigene Projekt vor die Pflichtaufgaben zu legen, finde ich auch psychologisch gut, denn so messe ich ihm mir selbst gegenüber einen höheren Wert bei. Zuerst das wichtige, signalisiere ich mir.

Häppchen, bitte

Damit die Morgenstunden funktionieren, muss man das Projekt in handliche Häppchen einteilen, denn die morgendliche Zeit ist meist begrenzt. Kleine Texte zu schreiben oder eine Zeichnung anzufertigen, kann in einer bis zwei Stunden zu schaffen sein. Man muss halt bereit sein, die Arbeit entsprechend zu portionieren. Das heißt beispielsweise, an einem Morgen einen Rohentwurf zu kreieren, und am nächsten Morgen den Feinschliff zu machen.

Portionierung im großen Stil ist angesagt, wenn es um größere Projekte geht, einen Roman zu schreiben, oder eine Doktorarbeit. So etwas kann in den Morgenstunden nur funktionieren, wenn man sich nicht erst zeit- und energieraubend in das Projekt hineindenken muss. Also muss man ein wirklich gutes Gerüst erstellen, das heißt, möglichst viele kleine Schritte planen, die sich leicht abarbeiten lassen. Und damit das nicht auf der langen Bank landet, fängt man am besten damit an, schon den Planungsprozess zu unterteilen: Am ersten Morgen wird die Einleitung geplant, am zweiten Morgen die Anzahl der Kapitel festgelegt, am dritten Morgen geht es an die Planung der Unterkapitel von Kapitel Eins…

Autorin: Gudrun Sonnenberg | Themen: Arbeiten,Selbstmanagement | 2 Kommentare

2 Kommentare bisher

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  1. 9. August 2011 um 14:09 Uhr

    Sibylle (vom textanfall) sagt,

    Gudrun, du sagst es! Genau so mach ich es auch immer. Die Herzensdinge am Morgen zu machen gibt einem ja auch Schwung und leuchtende Augen für den Tag. Und, ja, genau, es ist sehr wichtig, die eigenen Projekte und Wünsche und Ziele wertzuschätzen. Manchmal verbrauche ich morgens auch eine Stunde oder mehr dafür, um (mal wieder) zu kontrollieren, ob meine Ziele immer noch meine Ziele sind, was ich will, was ich machen möchtem wie ich es hinkriege usw. Man sollte also nicht nur aufs “Machen”, sonderna uch aufs “Planen” achten.

  2. 6. September 2011 um 09:07 Uhr

    Petra sagt,

    Hallo,
    sehr hilfreich finde ich den Hinweis, auch den Planungsprozess in “kleine Morgenhäppchen” zu zerlegen! Denn manchmal sitze ich in meiner morgendlichen Stunde da, und das Projekt ist viel zu groß (und für Planung war keine Zeit), und ich bin frustriert, weil ich nicht so recht vorankomme. Wenn ich mir aber “Planung von Kapitel 1″ z.B. auf den Zettel schreibe, dann ist das konkret. Und zu schaffen. Und motivierend.
    Vielen Dank dafür!
    Beste Grüße
    Petra

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