Schaufenster
Luftschnappend spazierte ich eben um den Block und kam an einem Arbeitsplatz vorbei, der mir zu denken gab. Und zwar befindet er sich in einem dieser Ladenlokale, die zum Büro umfunktioniert worden sind. Sprich, es gibt große ebenerdige Schaufenster, durch die man alles sehen kann. Speziell in diesem Büro bedeutet “alles” wirklich: alles. Der Mensch, der dort arbeitet, sitzt nämlich mit dem Rücken zum Fenster! Man sieht also nicht nur, dass er am Schreibtisch ist, sondern man sieht auch über seine Schulter auf seinem Bildschirm, was er dort tut. Wenig überraschend, er arbeitet.
Welch toller Trick, dachte ich beim Vorbeigehen, um sich zu disziplinieren! Wer keinen Chef oder nicht genug Druck hat, macht einfach seine Mitmenschen zu Aufpassern. Wenn mir die ganze Nachbarschaft plus die großen und kleinen Besucher eines gegenüberliegenden Fußballplatzes plus durch die Straße eilende Passanten bei der Arbeit über die Schulter schauen, dann klicke ich lieber nicht zwischendurch auf Pausenspiele, Youtube oder Blubberforen.
Oder doch?
Ich war plötzlich nicht mehr sicher, ob alle Menschen so denken wie ich, und falls nicht, zu welcher Sorte dieser Mensch in dem Schaufenster gehörte. Es durchzuckte mich die Furcht, er könne vielleicht gerade in dieser Minute auf einer ganz privaten Seite unterwegs sein. Wie indiskret von mir, ihn dabei beobachten zu wollen! Ich schämte mich und eilte weiter, ohne noch genauer auf seinen Bildschirm zu schauen.
Wenn nun dieser Mann da drin nicht so denkt wie ich, die anderen Passanten aber doch, dann kann man diese Form der Selbstdisziplinierung natürlich knicken. Andernfalls wär es vielleicht einen Versuch wert?