Selten so geliebt wie jetzt: Homeoffice
Was haben sich unsere Ahnen nur dabei gedacht, hier zu siedeln? frage ich mich seit Tagen, wenn ich einen Blick nach draußen wage, und anschließend denke ich mit wärmster Zuneigung an jenes unbekannte Genie, welches das Homeoffice erfunden hat.
Ich weiß zwar, man soll sich nicht einigeln, sonst droht der Winterblues. Diesen Rat habe ich selbst schon verbreitet. Aber die Wahrheit ist: Zurzeit wär ich froh, wenn ich wenigstens das Blues-Stadium erreichen würde. Dann wäre ich auf jeden Fall fröhlicher und dynamischer als jetzt, wo ich zu oft aus dem Fenster geschaut habe in ein Szenario, das eine kluge Freundin von mir „Selbstmordwetter“ nennt.
Gestern musste ich, allen Befindlichkeiten zum Trotz, vor die Tür. Mir schwante schon nichts Gutes, als ich die Moderatorin im Radio etwas von „weiße Pracht“ faseln hörte. „Weiße Pracht“ steht in meiner Metropole für „grauer Schlamm“, dieser Tage „nasser grauer Schlamm“. In solchem ruinierte ich meine Stiefel und versuchte mir die Sache dahingehend schönzudenken, dass man doch immerhin auf Mitmenschen trifft, wenn man draußen ist!
Aber ehrlich: Die Mitmenschen waren keine Lichtblicke. Sowas von gar nicht. Mir schlurften elende Gestalten entgegen, denen Wind und Schneeregen in Gesichter blies, die noch grauer waren als das Grau, das sie umgab. Ihre Mundwinkel hingen so weit herab, dass sie aufpassen mussten, nicht draufzutreten. Ihre Nasen tropften. Oder waren es Tränen? Menschen, denen ich näher kam, röchelten und schnieften und erinnerten mich an die Nachrichten von gestern abend, denen zufolge die Influenza-Grippe dieses Jahr besonders heftig wütet.
Selten liebe ich mein Homeoffice mehr als in solchen Zeiten. Ab jetzt geh ich nur noch raus, um Schokolade zu kaufen.